SVP-Nationalrat Walter Wobmann und seine Mannen sind jetzt endlich soweit: Sie wollen mit einer Initiative, die Gesichtsschleier verbietet, die Schweiz schützen. Die gleichen Mannen übrigens, die uns damals vor den Minaretten gerettet haben. (Oder wurden Sie in letzter Zeit von einem heimtückischen Minarett hinterrücks islamisiert? Hä? Eben!)
Natürlich ist diese Initiative nicht mal im Ansatz durchdacht. Da hats zum Beispiel Textstellen wie «Niemand darf eine Person zwingen, ihr Gesicht aufgrund ihres Geschlechts zu verhüllen.»
Hm, das ist jetzt schon nicht erlaubt. Also wenn wir von den Mamis absehen, die ihren Kindern im Winter befehlen, sich endlich den Schal umzubinden. Niemand darf in der Schweiz jemanden dazu zwingen, sich in irgendeiner Weise zu kleiden. Also, jetzt noch, vor der Initiative. Käme sie durch, hätten wir ein Gesetz, das Kleidervorschriften durchsetzt, ohne dass sittliche oder sicherheitstechnische Aspekte eine Rolle spielen. Adé Freiheit.
Die SVP spielt sich als Beschützer der Frauen auf, behauptet, sie stehe für die Freiheiten der Frauen ein. Das ist natürlich geistiger Dünnpfiff. Die Frauen haben heute schon die Wahl, ob sie einen Gesichtsschleier tragen wollen oder nicht. Die Initiative würde ihnen die Freiheit nehmen, sich für ihre kulturellen Gebräuche zu entscheiden. Genauso gut könnten sie eine Initiative einreichen, die Miniröcke verbietet, um Frauen vor Vergewaltigung zu schützen. Da wär gleich viel «Freiheit» drin.
Weiter wäre den Frauen auch noch ein Bärendienst erwiesen. Sie würden nicht nur in einer rückständigen Religion leben, sondern sich durch deren Ausübung auch noch strafbar machen. Also wären sie, wenn sie denn Opfer sind, doppelte Opfer. Sie würden nicht einfach ihre ganze kulturelle Prägung wegwerfen und auf der Strasse tanzen. Sie würden wohl eher das Haus kaum noch verlassen und soziale Kontakte zu aufgeschlossenen, weltoffenen Muslima fänden gar nicht mehr statt. Zugang zu Bildung oder kulturellen Anlässen wäre ihnen nicht mehr möglich, wenn sie ihrer Religion folgen wollen. Ein Burkaverbot würde die Frauen also einkerkern, kriminalisieren und isolieren. Wie das diesen Frauen helfen soll, selbstbestimmter zu leben, ist mir (Kalaueralarm!) schleierhaft.
Ehrlich, ich mag fundamentalistische Religionen auch nicht. Die sind alle in ihrem Denken eingeschränkt. Ich weiss aber auch – mit einem Seitenblick auf die Weltgeschichte – dass man religiöse Menschen mit Verboten eher radikalisiert als integriert. Aber wahrscheinlich ist Integration gar nicht das Ziel der Initianten. Wär ja ziemlich blöd, wenn man den Leuten dabei helfen würde, die eigenen Vorurteile zu widerlegen.
Aber zurück zum Verhüllungsverbot. Es hat nämlich einige ähnliche Tendenzen wie die Minarett-Initiative. Richtete diese sich doch gegen vier (4!) Minarette in der ganzen Schweiz, so richtet sich das Verhüllungsverbot gegen eine winzige Minderheit. In Frankreich, mit 66 Millionen Einwohnern, davon rund 3.7 Millionen Muslime, ist so ein Verbot ja bereits Relalität. Und? Es wurden seit Einführung rund 600 Frauen verwarnt, einige zu einer Busse verurteilt.
Über den Daumen auf die Schweiz heruntergerechnet wären das 40 Fälle. Die meisten verhüllten Frauen sieht man in der Schweiz übrigens als saudische Touristinnen an der Bahnhofstrasse, wo sie Unmengen Geld ausgeben.
Dafür bürdet dieses SVP-Komitee den Schweizer Bürgern die Kosten einer Initiative auf?
Das Verbot ist aber auch in der praktischen Umsetzung völlig ohne jeglichen Realitätsbezug: Ausnahmen will das Komitee «aus gesundheitlichen, sicherheitsrelevanten, klimatischen sowie aus Gründen des einheimischen Brauchtums» zulassen. Also im Winter dürfte dann die Burka getragen werden, wenn sie gegen Kälte schützt? Und an der Fasnacht dürften sich die Frauen dann auch verschleiern? Und wenn die Dame erkältet ist, darf sie anstatt eines asiatischen Mundschutzes auch den Hijab tragen?
Ihr seht, für die Initiative wurde nicht für 5 Rappen Hirnschmalz aufgewendet. Sie soll einfach ein wenig mehr Hass und Angst in die Bevölkerung tragen.
PS: Für alle, die aufgrund meines Namens denken, ich sei doch auch nur so ein Islamist: Sorry, ich wurde katholisch getauft, war Messdiener, bevor ich die Kirche für eine Art billigen Lifestyle-Buddhismus verlassen hab.