
Die Verletzung bei der Abwahl von Christoph Blocher muss für die SVP so immens gewesen sein, dass ihre Führer durch die Tränen der Wut und der Scham die demokratischen Grundprinzipien nicht mehr erkennen können. Ein Trauma, das die Partei in Trotz erstarren lässt. Sie haben die beleidigte Reaktion von damals auf Widmer-Schlumpfs Wahl institutionalisiert.
Jetzt, da endlich wieder ein zweiter SVP-Bundesrat möglich wäre, erpresst die Parteiführung die Bundesversammlung, einen ihrer drei vorgeschlagenen Kandidaten zu nehmen. Einer, der Vergewaltigungswitze macht, einen Papierli-SVPler aus dem Tessin, der klar rassistische Tendenzen aufweist, und ein Welscher, den kaum jemand kennt.
Sollte die Versammlung sich für einen anderen SVP-Kandidaten entscheiden, ist dieser gezwungen, abzulehnen. Oder er verliert die Parteimitgliedschaft. So ist es für die Bundesversammlung absolut unmöglich, sich frei für einen Kandidaten und eine Partei zu entscheiden.
Das zeigt in erster Linie eins: Wie viel Respekt die SVP-Parteiführung vor den Parlamenten hat. Die Partei denkt, sie könne der Schweiz vorschreiben, wer „demokratisch“ in den Bundesrat gewählt werden soll. Solche Ansprüche gibt’s sonst nur in Einparteien-Systemen oder in Scheindemokratien. Diese Erpressung ist Verrat an unserer Demokratie.
Aber ich hab genug Vertrauen in unsere Bundesversammlung und traue ihr zu, mit solchen Epressungsversuchen umzugehen. Die Räte werden unser demokratisches System auch in der Hitze des Gefechts nicht im Stich lassen.
Was mir viel mehr zu denken gibt, ist die innere Struktur der SVP. Eine Partei, die selbstständiges Handeln und Denken so fürchtet, dass sie ihre Spitzenpolitiker ein Zwangs-Papier (welches ihnen die Annahme einer Bundesratswahl verbietet) unterschreiben lässt, zeigt klar totalitäre Strukturen.
Ich würde gerne den seligen SVP-Grossen This Jenny zu diesem Demokratieverständnis seiner Partei hören. Aber leider ist mit ihm der letzte freie, grosse SVP-Politiker, der die Eier für eine eigene Meinung hatte, gestorben. Was der Parteileitung wohl nicht ungelegen kam. Kritik von SVP-Politikern an der Vorgehensweise gegen die Bundesversammlung kommt nur hinter vorgehaltener Hand. Keiner getraut sich, in dieser Sache eine eigene Meinung zu äussern.
Wenn die SVP-Führung der Bundesversammlung mit Verachtung begegnet, ist das das Eine.
Wenn sie aber ihren fähigsten Politikern nicht traut und sie mit Zwang in die Parteidoktrin zwingen will, von Verrätern spricht und Strafen androht, erinnert das doch sehr an die kommunistischen Parteien des letzten Jahrhunderts.