Eine Plattform für Populismus?

Man geht ihnen nicht aus dem Weg. Man stellt sich vor sie hin und brüllt: «Stopp, so nicht!»
Man geht ihnen nicht aus dem Weg. Man stellt sich vor sie hin und brüllt: «Stopp, so nicht!»

«Man darf diesen kranken Typen nicht auch noch eine Plattform bieten», hörte ich die letzten Tage in der Auseinandersetzung um das unsäglich frauenfeindliche Verhalten und das Verbreiten von Falschinformationen des SVP-Nationalrats Andreas Glarner. Man solle Hetzern und Trollen dieses Kalibers die Öffentlichkeit entziehen und sie so ins Leere laufen lassen. Die Medien sollen sie totschweigen, weil diese Persönlichkeiten mit narzisstischer Störung und ohne jegliche Ethik im Rampenlicht nur aufblühten. Man gebe ihnen eine Bühne, die sie nicht verdienen.

Nun, 1980 hätte das vielleicht noch funktioniert. 2016 sind die herkömmlichen Medien nur noch die Mittagsvorstellung solcher Auftritte von Lügnern, Hetzern und Antidemokraten. Die Premiere und Hauptvorstellung finden in den sozialen Medien statt. Das widerliche Verhalten dieses speziellen Volksvertreters begann auf Twitter und spielt sich jetzt auf Facebook weiter ab. Die Medien sind geduldete Zuschauer, wie der Rest der Öffentlichkeit.

Die Akteure sprechen mit den Journalisten, nachdem sie  bereits auf der Bühne waren. Man kann niemanden totschweigen, der seine eigenen Medienkanäle hat. Im Gegenteil, man muss die Lügen und die Hetze sichtbar machen, damit anständige Menschen aus allen politischen Richtungen sich davor ekeln und auf Distanz gehen können. Bei Glarner scheint das langsam zu fruchten. Nicht einmal seine Parteikollegen wollen sich noch vor ihn stellen. Was bei einer Partei wie der SVP schon viel bedeutet.

«Man muss diesen Typen auf sachlicher Ebene begegnen, nicht die Person zusätzlich ins Rampenlicht stellen», war ein Argument, das aus dem Pulk meiner Journalistenkollegen fiel. Nun ja, wenn Populismus die Vernunft ansprechen würde, gäbs ihn nicht.

Populismus funktioniert charismatisch, nicht rational. Wäre Politik Musik, dann spielten die Vernünftigen die netten Melodien, die man mitsummt. Die Populisten aber klopfen den Bass, nachdem die Menge stampft. Populisten mit Vernunft begegnen zu wollen ist, wie mit einem Buttermesser in eine Artillerieschlacht zu ziehen.

Man soll diese Typen auch nicht als DAS BÖSE stigmatisieren, denn  das wäre kontraproduktiv. Sie versuchen sowieso schon, bei jedem Angriff die Opferrolle zu besetzen. (Man darf sie aber durchaus «Opfer» nennen, das hören sie nicht so gerne :D) Aber das sind sie nicht. Sie sind meist eklig, lächerlich, dumm, verlogen und ungeheuer von sich selbst eingenommen. An jedem dieser Punkte sind sie angreifbar.  Nicht, dass sie dadurch ihre treuen Anhänger verlieren. Aber die sind sowieso verloren.

Aber die unpolitischen Mitläufer, die bei oberflächlichem Hinhören auf den Dreck und die Lügen der Populisten hereinfallen,  informieren sich genauer, wenn die Scheisse rund um eine Persönlichkeit richtig am Dampfen ist. Sie plappern den Hetzern nicht mehr einfach nur nach, weil sie sich fürchten, die Scheisse könnte auf sie überspritzen. Sie werden achtsam. Und achtsame, vorsichtige Wähler sind Wähler, die für den Populismus verloren sind.

«Nur keine Publicity ist schlechte Publicity», versuchen die Campaigner und die Kommunikationsverantwortlichen ihren Kunden einzureden, wenn sie ihren Job Scheisse gemacht haben. Das stimmt nicht. Unreflektierte Narzissten trifft man mit einer öffentlichen Demontage tausendmal mehr als mit einer vernünftigen Diskussion. Nach aussen hin lassen sie die Angriffe an sich abprallen, aber schmerzhaft getroffen sind sie trotzdem, wie die Löschung des Twitteraccounts von Andy Glarner zeigt.

Wenn der Klügere immer nachgibt, steht er irgendwann am Abgrund oder mit dem Rücken zur Wand. Es ist in der Geschichte noch niemals ein Demagoge totgeschwiegen worden. Auch wurde noch kein Rechtspopulist durch ignorieren von seiner Mission abgehalten.

Wenn die radikalen Hetzer aufstehen, bleibt man nicht sitzen, man geht ihnen nicht aus dem Weg. Man stellt sich ihnen entgegen – auf allen Kanälen – und brüllt laut: «So nicht, Arschloch!». Alles andere ist zwar kultivierter, aber tödlich für eine freiheitliche Demokratie.

Und bei Leuten, die nur die Menschen als «Volk» oder «Schweizer» betrachten, die sie oder ihre Partei wählen oder in ihrem Sinne abstimmen, gehts wirklich um die Substanz unserer freiheitlichen Demokratie.