Wie Fakenews funzen …

«Fakenews» ist wohl einer der meistgebrauchten Begriffe des letzten Jahres. Inzwischen wird einfach alles, was einem nicht passt, als «Fakenews» bezeichnet, dabei gibts da durchaus Unterschiede. Oft wissen nicht einmal meine Kollegen Medienprofis, was genau wie funktioniert. Ich hab deshalb hier kurz die Lügenmechaniken und Fakenewssysteme aufgelistet, denen ich in meiner Funktion als Journalist, Blogger und Campaigner am häufigsten begegne.

Die blanke Lüge

Diese Art der Fehlinformation kommt eigentlich erstaunlich selten vor. Sie setzt voraus, dass der Absender die Fakten kennt und absichtlich lügt. Politiker und Medien hüten sich, solch einfach zu widerlegende Storys zu erzählen. Man findet die blanke Lüge aber oft in den Sozialen Medien, wo sie meist von anonymen Usern in politischen Foren und Gruppen verbreitet werden. Daher beziehen sie auch ihre Kraft, da andere User sie teilen und so verbreiten. Und eine blanke Lüge kann Gewicht bekommen, wenn man ihr immer wieder begegnet, ohne dass sie von öffentlicher Seite klar widerlegt wurde. Tipp: Checkt die ursprüngliche Quelle der Information auf Glaubwürdigkeit

Die Bullshitter

Bullshit ist wohl die häufigste Form von «Fakenews». Bullshit entsteht aus einer Mischung aus Halbwissen, Falschinterpretation, Hörensagen und Bauchgefühl. Trump spielt die Klaviatur des Bullshits virtuos. Er verwertet halb verstandene Fakten aus dem Bauchgefühl und interpretiert Superlativen im eigenen Interesse daraus. Die meiste Zeit ist sich ein Bullshitter nicht mal bewusst, dass er Bullshit verbreitet. Das Problem mit dieser Art der Fehlinformation ist, dass sie die Lieblingsbeschäftigung von Politikern ist. So finden Halbwahrheiten grosse Verbreitung auch in seriösen Medien. Und auch hier: Bei grosser Verbreitung entwickelt der Bullshit mehr Kraft als die Richtigstellung durch Fakten. Tipp: Unterzieht jede Äusserung eines Politikers einem Faktencheck. Jede. Ausnahmslos.

Alternative Fakten

Alternative Fakten gehören seit jeher zu den Instrumenten der Propaganda. Sie werden eingesetzt, wenn sich eine (tatsächliche) Version einer Geschichte nicht mehr unterdrücken lässt. Propagandamedien bringen dann alternative, oft frei erfundene Erklärungen für einen Sachverhalt, die sie gleichwertig neben dem verifizierten Ablauf eines Ereignisses publizieren. So ist die Realität nur noch eine von vielen «Theorien» und verliert an Kraft und Relevanz. Am deutlichsten wurde dies in den letzten Jahren von den russischen und russisch kontrollierten Medien beim Abschuss der MH17 über der Ukraine gemacht. Tipp: Auch hier die ursprüngliche Quelle und deren Glaubwürdigkeit verifizieren. Dazu Fakten von Schlussfolgerungen und Schlussfolgerungen von Vermutungen trennen. Benutzt dazu Ockhams Razor.

Der implizierte Bullshit

Der implizierte Bullshit wird oft von Verschwörungstheoretikern und Propagandamedien wie KenFM und RT benutzt. Es ist eine clevere Art der Manipulation. Dabei werden verifizierte, echte Fakten benutzt.  Der Absender wählt aber nur die Fakten, die er braucht, um eine kausale Kette von Ursache und Wirkung in seinem Sinne aufzubauen. Er reiht diese ausgewählten Fakten so auf, dass sie für das Gegenüber nur eine mögliche Schlussfolgerung implizieren. Widersprechende Fakten werden weggelassen. Die Lücken in der Argumentation werden mit Vermutungen und Unterstellungen in Frageform gefüllt. Der Absender tritt dann zurück und fordert auf «Zieh deine eigenen Schlussfolgerungen!». In einer intensiveren Version wird schon bei der Einführung eine Behauptung als Frage formuliert («War Berlin eine  False-Flag-Operation????»), um bei klarem Widerspruch «Fragen darf man doch» oder «Man muss doch auch kritisch hinterfragen!» zu phrasieren. Tipp: Greift nicht die Argumentationskette oder die Schlussfolgerung an. Zeigt auf, wie das Gegenüber die Fakten manipuliert. Lasst euch nicht auf Diskussionen ein.

Die Bullshit-Studie

Die ist wohl die hinterhältigste Version von Fehlinformation und kann oft nur mit akribischer Aufarbeitung widerlegt werden. Und sie kommt sowohl absichtlich wie unabsichtlich vor.
Absichtlich: Eine Studie wird von einem Institut gegen Bezahlung einer Interessengruppe erstellt. Die Studie geht an die Presse, wo sie ohne Überprüfung der Quelle, der Methodik, der Finanzierung und der Absicht zitiert wird. Das passiert ziemlich häufig, da Journalisten gleich Wissenschaftlichkeit voraussetzen, wenn «Studie» draufsteht. Dabei werden richtungsgebende Interessen und unwissenschaftliche Methodik gar nicht erst erkannt.
Unabsichtlich: Viele «Studien» werden von Instituten direkt nach Erstellung publiziert. Das heisst, ohne Peer-Review, ohne Überprüfung von Methodik oder zB Grösse der Datensamples, Auswahlverfahren der Probanden (freiwillig, online, ausgesucht) etc.. Je geiler die Schlussfolgerungen aus der Studie, um so schneller wandert sie an die Presse. Dort werden wiederum die Aussagen zugespitzt und vereinfacht, so dass die letzendliche Publikation nichts mehr mit der Realität zu tun haben muss.
Tipp: Bei jeder Studie Quelle, Finanzierung, Ausrichtung des Absenders und des Auftraggebers kontrollieren. Bei jeder Studie mindestens einen nichtbeteiligten Wissenschaftler zum Gegenchecken aufbieten. Oder noch besser: Nur Studien aus anerkannten wissenschaftlichen Publikationen mit Peer-Review und Science Impact verwenden.

Der Idioten-Umkehrschluss

Diese Kapriole des Bullshits findet sich oft in politischer Kommunikation, ist aber auch in Alltagsgesprächen häufig auszumachen. Sie ist ziemlich einfach und soll Pauschalisierungen rechtfertigen. Zum Beispiel: «Die Täter waren Ausländer.» -> Idioten-Umkehrschluss: Ausländer sind Täter. Oder: «99 Prozent der Sexualstraftätern sind Männer. Männer sind alle grundsätzlich Sexualstraftäter! 99 Prozent!». Hier reicht es, einfach die Frage umzukehren und für 5 Sekunden nachzudenken, um den Bullshit zu widerlegen.

Die klassische Ente

Die klassische Zeitungsente entsteht aus schlampiger, redaktioneller Arbeit. Falschmeldungen dieser Art werden aber meist innert Stunden entdeckt und mit einer Richtigstellung korrigiert.

Der Mix

In der politischen Kommunikation sind Fakenews keine isolierten Ereignisse, sondern folgen oft einer absichtlichen oder unbewussten Agenda. Verwendet werden alle Formen der Manipulation und der Fehlinformation, oft so intensiv, dass der Absender selbst an die Realität seiner Argumentation zu glauben beginnt. Um sich vor dieser Art der Manipulation zu schützen, hilft es, Medienkompetenz zu entwickeln und sich aus möglichst vielen Quellen zu informieren. Um die Glaubwürdigkeit der Quellen einzuordnen, hilft es, seinen gesunden Menschenverstand einzusetzen. Dazu kann man kurz die älteren Geschichten anschauen und sehen, wie viel Tatsachen inzwischen dazu ermittelt wurden und wie die Berichterstattung der Quelle davon abweicht. Verifiziere Fakten, indem du Medien mit unterschiedlicher politischer Ausrichtung wählst und schaust, in welchen Bereichen sich die Berichterstattung gegenseitig bestätigt.

Ansonsten halte dich an Fachleute, denen du vertraust. Fragen hilft immer.