Bolsonaro – Mehrheits-Diktatur vs Demokratie

„Aber er hat die Unterstützung der Mehrheit – über 80 Prozent! – der Bevölkerung hinter sich!“, verteidigen selbst Schweizer Journalisten –  die im Luxus einer direkten Demokratie aufwachsen durften – den neuen rechtsextremen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro.

Zuerst sollte man vielleicht erklären, dass „Demokratie“ nicht „Diktatur der Mehrheit“ bedeutet. Demokratie gründet in Rechtsstaat, Grundrechten, Minderheitenschutz und Mitsprache und ist nicht einfach das Recht der Mehrheit, sich über alles hinwegzusetzen.

Vielleicht hilft es, daran zu erinnern, dass Monster wie Stalin, Hitler, Kim Jong Il auch immer die Mehrheit des Volkes hinter sich hatten. Viele moderne Autokraten und Diktatoren kamen nicht per Putsch, sondern demokratisch gewählt an die Macht. Und ab da wirds wirklich gefährlich.

Angefangen hat es meist mit Populismus – ein Mittel, um ein Land zu teilen und dann mit der Mehrheit zu herrschen. Man teilt die Bevölkerung – meist mit nationalistischem Blabla – in „Wir“ und „Sie“. Man zeichnet die Welt schwarzweiss, um den Menschen nur eine Wahl zu lassen. Normalerweise funktioniert es, gegen Minderheiten zu hetzen, um Mehrheiten hinter sich zu scharen.

Hinzu kommt, dass Menschen in wirtschaftlich schwierigen Situationen eine Schwäche für starke Führer haben. Gerade Männer, die sich machtlos fühlen, sind bereit, einer starken, machoiden Führungspersönlichkeit zu folgen, die als Substitut, als Viagra für die eigene empfundene soziale Impotenz, herhalten müssen. Viele Frauen verwechseln bei einem Macho-Politiker häufig Härte und Brutalität mit Führungsstärke.

Ist  ein Populist einmal gewählt, beginnt er meistens schon in den ersten Tagen, langsam das System umzuformen, um seine Macht zu festigen. Am deutlichsten sieht man das zur Zeit bei Erdogan in der Türkei oder bei Orban in Ungarn. Solange noch keine negativen Folgen der Politik zu spüren sind, werden die Dynamik und die aufgeputschte Mehrheit benutzt, um die Verfassung und die Gesetzgebung so zu ändern, dass die eigene Basis im Vorteil ist.

Und plötzlich sehen wir wieder Mechanismen, die wir seit dem zweiten Weltkrieg als geächtet angesehen haben: Minderheiten werden interniert oder deportiert, ihrer Rechte beraubt, umgesiedelt, umerzogen. Ob das nun Kurden in der Türkei, Roma in Ungarn oder Indigene in Brasilien sind. Oder LGBT-Menschen in all den erwähnten Ländern.

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass es von diesem Punkt an nicht mehr sehr weit ist, bis Menschen in Lagern verschwinden, umgebracht oder von aufgehetzten Mobs gelyncht werden.

Also, wer „Aber er hat 80 Prozent der Bevölkerung hinter sich“ als Rechtfertigung für Autokraten, Faschisten und Diktatoren anführen will, soll sich bewusst sein, dass alle Monster unserer Geschichte in erster Linie durch Führerkult herrschten.

Es lohnt sich nachzulesen, warum Mehrheits-Diktaturen ohne Grundrechte, Bürgerfreiheiten und Minderheitenschutz keine Demokratien sind