SVP will Arme hungern lassen

Missgunst den Schwächeren gegenüber ist ein viel benutztes politisches Instrument der SVP. Ihre neueste Kampagne zielt auf die Ärmsten der Schweiz. Sie wollen den Sozialhilfebezügern das Geld um einen Drittel kürzen.

Diesmal hingegen könnte die Strategie nach hinten losgehen. Während die Hetze gegen Flüchtlinge bei ihren Stammwählern recht gut ankam (keiner kannte persönlich Flüchtende), sind Sozialhilfebezüger in ihrem Stammklientel nicht so schwach vertreten.

Und wenn man den Heinz kennt, der mit 47 ausgesteuert wurde, obwohl er immer geschafft und nachher auch immer einen Job gesucht hat, findet man nicht unbedingt, dass der noch weniger Geld bekommen soll. Oder das Trudi, vom Mann verlassen, selbst immer Hausfrau und jetzt auf dem Sozialamt. Soll sie sich plötzlich keinen Kafi im Cafe Gloria mehr leisten können?

Und lasst euch nicht in die Irre führen: Hier gehts nicht um irgendwelche Sozialschmarotzer, hier gehts um alle Schweizer, die in Not geraten sind.

Einer der Grundwerte, die mir meine Mutter und Walt Disneys Robin Hood beigebracht haben, ist, dass man sich immer stärkere Gegner aussucht, wenn man kein Feigling sein will. Nur, für die SVP-Politiker scheint genau das Gegenteil zu gelten: Suche dir die Schwächsten aus, diejenigen, die sich nicht wehren können, und trete sie noch tiefer in den Dreck. Den Starken und Reichen hingegen küsse den Hintern so begeistert, dass du deren Schliessmuskel als Halskrause tragen kannst.

Wenn eine Frau Rickli im 600-Franken-Outfit vor der Kamera steht und gegen Leute hetzt, deren Leben weniger glücklich verlaufen ist, während sie gleichzeitig den verhassten Cüplisozialisten und anderen Gutverdienenden Steuererleichterungen verschafft, könnte das bei ihren Stammwählern nicht so gut ankommen.

Natürlich gibts auch seelisch kaputte Zyniker in den Reihen der Partei: So zum Beispiel Claudio Schmid, der mit einem Föteli von seinem Einkauf beweisen will, dass man sich  auch mit 5 Franken am Tag ernähren kann. Auf seinem Bild ist ein mittelmässiger Znüni zu erkennen. Man weiss nicht genau, ob das einfach nur ein geschmackloser Witz ist, oder ob der Typ wirklich so strunzdumm argumentiert. Aber jänu.

Der andere Typ, dessen Namen und Artikel ich gar nicht erst erwähnen will, schwadroniert über fühlbare Armut als Anreiz für Sozialhilfeempfänger, sich mehr um Arbeit zu bemühen. Er stellt sich Armut so malerisch vor wie in einer Gotthelf-Geschichte.

Kurz: Die SVP sieht Armut als gewählte Lebensform und denkt, man müsse die Leute nur genug quälen, damit sie von ihrer geliebten Armut ablassen und endlich wieder arbeiten.

Ich hab in meinem ganzen Leben keinen Sozialhilfeempfänger getroffen, der nicht unter dem Stigma gelitten und sich geschämt hätte. Wenn man die Kinder nicht mit anderen mitschicken kann, weil man sich die 12 Franken fürs Mittagessen oder die 5 Franken für den Mietschlitten nicht leisten kann, ist das erniedrigend. Wenn man als ältere Person isoliert und in Depressionen verfällt, weil man es sich nicht mehr leisten kann, am Sozialleben teilzunehmen, ist das schmerzhaft.

Leben von der Sozialhilfe ist kein Leben, das man sich wählt. Aber es könnte ein Leben in Würde sein, wie es unsere Verfassung garantiert.

Natürlich nur so lange, bis irgendwelche Politiker versuchen, den Mittelstand auf die Schwächsten zu hetzen, um damit Steuern für die Stärksten zu sparen.

Diese Politiker müssen sich den Rest ihres Lebens im Spiegel ansehen und sich aushalten.