Offener Brief an Pierre Maudet

Lieber Herr Maudet

Im Interview mit dem Tagesanzeiger meinen Sie: «Ein Narzisst würde den einfachen Weg wählen, nämlich die Demission. Demission hiesse Kapitulation.»

Das ist totaler Bullshit. Ein Narzisst würde sich mit Zähnen und Klauen am Amt festbeissen, heulen und jammern, Entschuldigungen heucheln, sich als Opfer der Partei darstellen – alles, nur nicht die Konsequenzen für sein Handeln tragen. Also genau das, was Sie tun. Eine integere Persönlichkeit würde niemals die eigene Kantonalpartei spalten und der nationalen Partei immensen Schaden zufügen, nur um ihr Ego zu befriedigen. Wenn Sie Seilschaften und Populismus benutzen, um Ihre kranke Gier nach Macht zu befriedigen, zeigt das, dass Sie eines Amtes nicht würdig sind.

Sie sagen: «Ich muss als Politiker zwar vorbildlich, aber nicht unfehlbar sein.» Das mag für Sie als Politiker stimmen. Als Amtsträger gelten andere Ansprüche: Integrität, Ehrlichkeit, Transparenz sind einige davon. Sie, mein Lieber, haben diese Werte ad absurdum geführt und beschmutzt.

Dass Sie jetzt durch die Medien tingeln und sich als Opfer Ihrer Partei aufspielen, ist wohl das Schäbigste, was ich in den letzten Monaten im Schweizer Politzirkus gesehen habe. Sie sagen, «eine Partei müsse ihre Mitglieder schützen». Auch hier eine narzisstische Fehlperspektive: Die Mitglieder haben auch die Partei zu schützen, denn die Partei ist das grosse Gemeinsame. Sie hingegen sehen SICH SELBST als das Grosse, Hehre an.

Sie werden in die Genfer Geschichte als der Mann eingehen, für den man sich am meisten fremdschämt. Als der Politiker, der seine Würde seinem Ego und seiner Gier nach Macht geopfert hat.

Aber jänu. Da ich kein Wähler der FDP bin, kann ich eigentlich nur dankbar sein. Aber selbst dann: Ich wünsche eigentlich keiner Partei, auch keiner, die ich nicht wähle, einen Vertreter wie Sie.

Sie beschämen nicht nur sich, Ihre Familie und Ihre Partei, Sie beschämen in erster Linie unsere Institutionen.

Es ist Ihr Leben, es ist Ihr Gesicht, das Sie jeden Morgen im Spiegel betrachten müssen. Und ja, jetzt haben Sie’s geschafft. Jetzt empfinde ich sogar etwas Mitleid für Sie.

Freundlichst

ein Schweizer Bürger