Gastbeitrag von Kerstin Hasse, 28, Redaktorin bei annabelle.
Lieber Herr Zimmermann
Sie schreiben in der aktuellen Weltwoche vom Stellenabbau bei annabelle.
Sie schreiben «Die Party ist vorbei» und bis jetzt weiss ich nicht, was dieser Titel mit dem Abbau von 14 Stellen in der grössten Frauenzeitschrift der Schweiz zu tun hat. Uns hole der Zeitgeist ein, schreiben Sie und ich frage mich, von welchem Zeitgeist Sie sprechen.

Der Zeitgeist, den Sie schlussfolgern lässt, dass «die zunehmende Emanzipation der Frauen die Frauenmagazine umbringt»? Ich fürchte Ihr Zeitgeist ist echt aus der Zeit gefallen. Sie schreiben, der Mann von Welt ist weggestorben. Also der Mann, der Playboy liest und in der Maxim blättert, der an Hotelbars rumhängt und Frauen nachpfeift? Aber wenn dieser Mann nicht mehr existiert, warum dürfen Sie noch publizieren? Warum gibt es die Weltwoche noch?
Sie schreiben, die Männer hätten sich von alten Rollenbildern emanzipiert. Wenn dem so ist, warum bekämpfen Sie dann die Gleichheit von Mann und Frau? Erklären Sie es mir, Herr Zimmermann. Ich verstehe es nicht. Und das liegt echt nicht an meinen Smokey Eyes.
Sie schreiben, dass Frauenzeitschriften noch wichtig waren, als die Frauen noch schöne und schicke Damen waren und Geschlechterkampf und Genderwahn noch unbekannt. Lieber Herr Zimmermann, ein schöner Mann wie Sie muss sich natürlich bedroht fühlen in diesen turbulenten Zeiten.
Sie wurden vor Kurzem abgesägt als Chefredaktor eines Branchenmagazins, weil niemand mehr durch ein Heft blättern wollte, indem nur über Männer geschrieben wurde. Das hat Sie bestimmt frustriert. Sie verstehen nicht, warum man Sie nicht versteht. Doch die Antwort so offensichtlich. Ihr Weltbild ist irgendwo in den 50ern hängen geblieben, als die Rollenverteilung unter den Geschlechtern noch so schwarz-weiss war wie das Fernsehbild. Jetzt hängen überall Regenbogen rum und Sie wissen nicht, was Sie damit anfangen sollen. Das muss schwierig sein.
Sie sind kein schlechter Mensch, Sie sind einfach ein bisschen traurig und enttäuscht, weil die Welt sich verändert hat und weil Chauvinismus nicht mehr länger ein Synonym für Charme ist. Sie haben Angst, das ist okay. Wir werden nett zu Ihnen sein. Wir werden Ihnen alles erklären. Sie können ja in der Zwischenzeit mal in der annabelle eine der «tristen Reportagen über die Nöte alleinerziehender Mütter» lesen.
Bei Fragen dürfen Sie mich jederzeit anrufen. Oder wir treffen uns in einem Café oder auf ein Bier. Ich bin die elegante Dame in der Ecke, die in der annabelle blättert. Und keine Angst: Die Rechnung geht auf mich.
Herzlich,
Kerstin Hasse