Etwas ungehalten reagierten die Exponenten der SVP auf die ersten Klima-Streiks von Schülern anfangs Jahr. Sie wirkten etwas beunruhigt über das Gewicht, dass dieses Thema entwickelte, blieben aber gelassen.
Die Welt der Rechtsaussenpartei schien noch in Ordnung, auch wenn man langsam merkte, dass die drei üblichen SVP-Themen – Flüchtlinge, Flüchtlinge und Flüchtlinge – nicht mehr die gewohnte Aufmerksamkeit generierten.
Der erste harte Schlag kam dann mit den kantonalen Wahlen. Überall wurden die Sünnelis von Linksgrün in den Schatten gestellt.
In einer ersten kopflosen Aktion köpften die nationalen Generäle die Zürcher Partei und exekutierten die Parteileitung per königlichem Dekret. Die Schuld an dem Debakel wurde nicht etwa in der thematischen Ausrichtung oder im Auftreten der nationalen Exponenten gesehen, sondern im unzureichenden Wahlkampf – in der zu „freundlichen“ Gangart – der kantonalen Partei.
Das brachte Unruhe in die Reihen derer, die sich über Jahrzehnte in Gemeinden und auf regionaler Ebene den Arsch für die Partei aufgerissen hatten, die die Fussarbeit machten – und die sich ihren Platz in der SVP nicht mit Millionen oder einer Zeitung erkauft hatten. Selbst mir gegenüber, einem dezidiert Linken, äusserten sich die SVPler kritisch über die nationale Ausrichtung.
Nationalrat Köppel schaltete einen Gang hoch und veröffentlichte unter dem kindisch provozierenden Titel „Mein Wahlkampf“ die Drohung, jede einzelne Zürcher Gemeinde mit seiner Anwesenheit zu beehren, ohne Rücksprache mit den Lokalparteien in den Gemeinden zu nehmen. Die Freudentänze der gerade abgekanzelten Parteibasis blieben aus.
Andernorts kam der nächste Schuss in den Ofen: Eine SVP-Arbeitsgruppe kam auf die Idee, die Ärmsten der Schweiz – die Sozialhilfebezüger – zum Abschuss freizugeben. In verschiedenen Kantonen wollten sie die Überlebenshilfe um 30 Prozent kürzen. Sie dachten wohl, man könne eine Gruppe zum Feindbild machen, die sich nicht wehren könne. Die SchweizerInnen goutierten das nicht. Es ist irgendwie einfach unschweizerisch, die Schwächsten noch tiefer in den Dreck zu treten.
Inzwischen wurde der gesellschaftliche Impact der Greta-Bewegung in der Schweiz noch stärker sichtbar. Selbst die FDP dachte anstatt über Steuervermeidung mal über die Umwelt nach. Die ersten SVP-Exponenten verloren die Nerven.
Nun fokussierten sie sich auch stärker auf das Klima. Sie leugneten den menschengemachten Klimawandel. Während Provinzpolitikerin Müller-Boder davon schwafelte, dass man schon im Zeichentrickfilm „Ice Age“ sehen könne, dass es bereits früher Klimawandel gab, leugnete der Akademiker und Nationalrat Roger Köppel auf Twitter an einem Tag die Existenz des Klimawandels ganz, um am nächsten Tag zwielichtige Studien zu twittern, die belegen sollten, dass kein Mensch niemals für den inexistenten Klimawandel nicht verantwortlich sein könne.
Es entstand der Eindruck, man hätte es mit wirren Verschwörungstheoretikern zu tun. Freisinnige und andere Bürgerliche, die 2015 noch mit den SVP-Kandidaten karawunzelten, gingen auf Distanz, als könnte man sich mit dem rechtsnationalen Hirnfieber anstecken.
Dann die nationalen Abstimmungen im Mai. Die SVP verlor auf der ganzen Linie, auch die gewichtige Abstimmung zu den Kürzungen im Sozialbereich in Bern wurde abgeschmettert.
Inzwischen schoben die Parteistrategen Panik, wie man mir hinter vorgehaltener Hand mitteilte. Man hatte keine Ahnung, wie man den Fall der Partei bis im Herbst aufhalten solle. Es gab einige neue Ideen, die die Partei wieder in die Gesellschaft zurückführen sollten.
Nur wurden diese Ansätze abgeschmettert und man entschied sich, noch einen Gang Wahnsinn zuzulegen und weiter gegen Kinder, Sozialhilfeempfänger und natürlich Ausländer zu hetzen, und den Klimawandel zu leugnen. Obwohl viele Bauern in der Parteibasis den letzten Sommer noch gut in Erinnerung hatten und sich eher Lösungen als martialisches Gewäsch von ihrer Partei wünschten.
Und dann: KAWUMM!
Der Knallkopf Glarner explodierte mitten ins Gesicht der Partei. Mit seiner kriminellen Aktion, in der er eine junge Frau öffentlich dem Missbrauch durch seine Hassbratzen-Groupies freigab, schaffte er es, dass sich selbst der letzte anständige Bürgerliche von der Partei abwandte. Wieder rumorte es in der Partei, selbst in der Wolle gefärbte SVPler fühlten sich vom Widerling Glarner abgestossen.
Doch der Aufstand der Anständigen blieb aus. Es ist schwer, sich nach jahrzehntelangem Kadavergehorsam gegenüber den nationalen Führern wieder eigenständig zu engagieren. Die Fraktion und die Parteileitung verzichteten darauf, sich vor die junge Frau zu stellen und ignorierten das Thema. Die Unzufriedenheit köchelt aber weiter im Innern der Partei.
Doch – man staune – der Tiefpunkt war noch nicht erreicht. Während auf der linken Seite für die grösste Demonstration in der jüngeren Geschichte mobilisiert wurde – den Frauenstreik – bereiteten die Campaigner der SVP das Extra-Blatt für alle Haushalte vor.
Wortwörtlich verteufelten sie die Menschen, die sich gegen den Klimawandel engagierten, leugneten den menschenverursachten Klimawandel – um im gleichen Satz die Flüchtlinge für den Klimawandel IN DER SCHWEIZ verantwortlich zu machen. Dass muss man sich mal genüsslich auf dem Grosshirn zergehen lassen …
Ein Twitter-User fasste es passend in Worte:
Kurz: Man hatte der SVP 2015 einen Sitz am Erwachsenentisch gegeben. Sie haben mit dem Essen um sich geworfen und dauernd „Kacka“ in die Diskussion geschrieen. Jetzt befürchten sie, dass ihnen der Platz von den Wählern wieder weggenommen wird – und sie schreien noch lauter „Kacka“ und werfen noch mehr mit Essen, um sich den Platz am Tisch zu erhalten.
Man könnte fast Mitleid haben …..