Der Absturz der Zürcher SP

Die Zürcher SP hat ein Identifikationsproblem. Dass nicht nur ich das so sehe, beweist der Absturz der Partei sogar in der Stadt Zürich, einst unbestrittene SP-Homebase. Es wäre eine faule Ausrede, wenn man das jetzt mit der „grünen Welle“ entschuldigen und einfach gleich weitermachen würde.

Und nein, die SP muss auch nicht „linker“ oder „rechter“ werden, sondern ihr Profil schärfen. Sie sollte mit der Heckenschere den Auswüchsen links und rechts zu Leibe rücken und eine klare, humanistische, menschliche Linie fahren, die der Schweiz gerecht wird. Und das möglichst, ohne dabei die Faust zu recken und rote Fahnen zu schwingen.

Ihr jetziger Auftritt zwischen Rechtsaussen Mario Fehr und den Revoltionsromantikern der Juso ist so beliebig, dass er viele Linke nicht mehr überzeugt.

Am rechten, wirtschaftsliberalen Rand fühlen sich viele bei der GLP besser aufgehoben. Für Linke mit hohem humanitären, humanistischen Anspruch sind inzwischen die Grünen die wählbare linke Partei, weil die ohne (FDP-lastigen) Wirtschaftsturbos und pathetischen Revolutionsparolen auskommen.

Für mich, der sich in den Abstimmungen zu 99 Prozent auf der Linie der SP befindet, sind die alten Zöpfe, also Klassenkampf-Rhetorik, die Revolutionsromantik, die 80er-Bewegungs-Attitüde und die gelegentlichen Ausrutscher in die sozialistische Ideologie extrem nervig. Ich kann die gleichen Werte wählen, wenn ich eine grüne Liste in die Box werfe, ohne dabei Altlasten bis zurück zur russischen Revolution mit dranzuhängen. Und dabei bin ich in erster Linie links, nicht grün.

Es ist Zeit, dass moderne Sozialdemokraten, die es ohne Zweifel gibt (zum Beispiel Min Li Marti), die Kommunikation der Partei übernehmen, ohne Rücksicht auf alte Seilschaften, ohne Rücksicht auf pubertäre Revoluzzer oder rechte Wirtschaftsliberale mit sozialem Feigenblatt.

Das wird vielleicht am Anfang etwas schmerzhaft, eine Konsolidierung, die die Partei am rechten und am linken Rand Wähler kosten würde. Die daraus entstehende Überzeugungskraft für die meisten Linken, die aus dem Bauch und dem Herzen heraus „links“ sind, die sich in erster Linie für eine menschliche Politik und nicht für Klassenkampf interessieren, und die grundsätzlich Ideologien misstrauen, würde sicher zunehmen.

Ausserhalb der Partei-Bubble sind die meisten Linken eben nicht in Marx und dem Sozialismus verwurzelt. Sie finden einfach, dass es einen menschlicheren Umgang in der Gesellschaft brauche.

Und mit dem ausgefranzten Wischiwaschi-Profil, dass sie jetzt aufzeigen, laufen ihnen die Wähler ja offensichtlich bereits davon. Nach rechts und eben, zu den frischeren Linken, zu den Grünen.