Das Ende der Neutralität?

Im Zuge der #Crypoleaks-Affaire werden vor allem von links immer mehr Stimmen laut, die meinen, Neutralität habe sich überlebt, sei zu einer Belastung für die Glaubwürdigkeit der humanitären Schweiz geworden.

Ich bin nicht dieser Meinung. Das Problem liegt eher in der Definition des Begriffs „Neutralität“.

Vor, während und seit dem zweiten Weltkrieg haben Bürgerliche, im Interesse der Wirtschaft, Neutralität als „Wertefreiheit“ definiert. Also, egal, welcher miese Diktator oder welches totalitäres Regime gerade ein Land regierte, egal, welche Kriegsverbechen oder Menschenrechtsverletzungen stattfanden, die Schweiz hatte dazu keine Position, weil „neutral“.

Nur so konnten unsere Wirtschaft und unsere Banken Geschäfte mit den widerlichsten Drecksäcken der Weltgeschichte machen: den Nazis, dem südafrikanischen Apartheidsregime, den gulagerrichtenden Chinesen oder der islamistischen Saudi-Dikatur. „Neutralität“ wurde zu einem Instrument für Drecksgeschäfte.

Nur: Neutralität bedeutet nicht, dass man keine Werte vertritt. Es bedeutet sogar das genaue Gegenteil. Man vertritt NUR die eigenen, freiheitlich-demokratischen Werte und nimmt nicht die Seite von Dritten ein. Wenn sich die eigenen Werte mit denen anderer Nationen decken, fair enough. Wenn Dritte diese Werte verletzen, bezieht man Position.

Neutralität bedeutet nicht, dass man seine Werte wegschmeisst und sich an den Höchstbietenden prostituiert.

Wir müssen wieder zum eigentlichen, souveränen Begriff „Neutralität“ finden. Das heisst, unsere eigenen Überzeugungen nach aussen weitertragen, und bei all den Drecksachen nicht für Geld oder wirtschaftliche Vorteile wegschauen.

Wenn man das Ernst nimmt, wird die Neutralität auch nicht so leicht instrumentalisiert, weil man den Arsch für wirtschaftliche „befreundete“ Kräfte hinhält.

Also: Ich bin pro Neutralität. Aber gegen Ignoranz und wirtschaftspolitische Heuchelei.