Die totale Machtlosigkeit

Eigentlich sind wir es uns gewohnt, alles im Griff zu haben. Und wenn nicht, ist der Staat, die Gemeinschaft da, um Lösungen, Versicherungen oder Alternativen anzubieten. Wir, gerade in der Schweiz, haben die Kontrolle. Katastrophen? Wir haben beste Technologie und Fachleute.

Und jetzt kommt ein Virus, das sich nicht an die Regeln hält. Egal, wie hart die Massnahmen sind, das Virus schlüpft durch. Das BAG hat es aufgegeben, alle Infizierten zu lokalisieren. Wir können es mit den vernünftigsten Massnahmen gerade noch so weit eindämmen, dass unser Gesundheitssystem es noch bewältigen kann.

Was niemand wirklich thematisieren will, ist, dass wir nichts haben, um dieses Virus zu heilen. Selbst wenn Infizierte im besten Spital der Welt behandelt werden, können wir nur das Immunsystem des Körpers unterstützen und die Symptome bekämpfen. Irgendwann haben wir sicher einen Impfstoff. Aber zur Zeit haben wir keine Kontrolle, sondern nur Schadensbegrenzung.

Wir sind machtlos gegen diese Laune der Natur. Und das kennen wir nicht mehr. Die Einen reagieren mit Panik und Prepper-Aktionen auf diese Machtlosigkeit, es gibt ihnen das Gefühl, wenigstens ein wenig Kontrolle zu haben und auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Als ob 20 Büchsen Ravioli das Virus in irgendeiner Weise aufhalten würden.

Andere sind im Katastrophenrausch und verfolgen und verbreiten Info-Müll zum Virus, als ob wir bei einer Art Endzeit-Sportveranstaltung wären. Auch hier wirkt das Gefühl der Kontrolle. Solange wir über WISSEN verfügen, und wenn es noch so unnütz ist, haben wir die Oberhand.

Wieder andere ignorieren das Virus, gehen auf in einem superindividualisierten, asozialen Egoismus. „Mir kanns ja nichts anhaben“. Ein üblichen Zeichen von Ignoranz, um Angst auszuweichen.

Und die Dümmsten unter allen fangen an, die Schuld für die Machtlosigkeit anderen zuzuschieben. Der Staat soll Wunder vollbringen, dafür zahlen wir schliesslich Steuern! Die Ausländer sind Schuld! Wir hätten schon früher blablabla … Sie wandeln ihre Angst in Wut, wie so oft.

Ehrlich. Wir müssen uns wieder mit dem Gedanken anfreunden, dass wir nicht alles unter Kontrolle haben. Wir müssen die Angst vor dem Ungewissen, vor der Gefahr, wieder aushalten. Das Leben ist nicht sicher.

Wir können uns nur an die Massnahmen halten, uns als Gemeinschaft verhalten, Rücksicht nehmen, und weiter ein Leben mit Unwägbarkeiten leben, wie es die Menschheit schon immer gemacht hat. Wir werden nicht alle dran sterben. Aber die Schwächsten kann es treffen. Und uns an unsere Sterblichkeit erinnern.

Wir hatten nie die Kontrolle. Wir hatten nur die Illusion davon.