Dieser Gastkommentar stammt von Hélène Lindgens, der Schwester des Bloginhabers. Sie lebt in Zürich und auf Mallorca und führt ein Gartendesign-Unternehmen. Davor, in einem anderen Leben unter einem anderen Namen, war sie eine der bestvernetzten Personalberaterinnen der Medienszene Schweiz.
Liebe Weltwoche
Lieber Roger Köppel, lieber Claudio Zanetti
Die unsäglichen Kommentare wurden gelöscht. Zuerst einmal Danke dafür.
Und nun schenke ich Euch einen Augenblick meiner Lebenszeit. Es könnte wohl manch anderes Printmedium angesprochen werden, nur seid ihr es diesmal, die meine Gedanken inspirieren.
Vorab: Ich habe keinerlei Probleme damit, wenn ihr euch verpflichtet fühlt, einen Artikel über meinen Bruder und seine allenfalls justiziable Verwendung unangebrachter Titulierungen zu schreiben.
Meine Probleme mit euch beginnen jedoch gleich nach dessen Veröffentlichung.
Wenn ein Titel mehrfach abgeändert wird, ein mit Copyright belegtes Titelbild zuerst widerrechtlich benutzt und dann stillschweigend entfernt wird, ohne irgendeine Änderung kenntlich zu machen, dann habe ich erste Probleme.
Wenn aus der ersten geschriebenen Version nun plötzlich eine zuerst noch namentlich genannte Aktivistin (die rechtliche Schritte niemals scheut) aus dem Text entfernt wird. Wenn aus einer zuest behaupteten Verurteilung plötzlich ein Strafbefehl wird, der noch nicht mal rechtskräftig ist, dann werden meine Probleme mit euch noch etwas grösser.
Ich bin davon ausgegangen, dass Journalismus Werten verpflichtet ist, die Integrität, Verantwortung, Respekt, Empathie, Kodex, Rechtschaffenheit, Wahrheit und Fairness beinhalten.
Ich bin auch davon ausgegangen, dass anständiger Journalismus mit einem Mindestanspruch an die Professionalität umgesetzt wird, gerade bei einem Traditionstitel wie der Weltwoche. Lese ich dann aber einen solchen Artikel, muss ich davon ausgehen, dass Ihr Eure Leser:innen als Lektor:innen missbraucht, und erst im Nachhinein, Schritt für Schritt den Inhalt anpasst und Korrekturen anbringt. Natürlich nur da, wo es rechtlich etwas eng werden könnte, oder inhaltlich nachweislich falsche Angaben gemacht wurden. Das ist für mich nicht Journalismus, sondern infantiles Basteln mit Worten und Buchstaben. Nun kommt der Punkt, wo ich langsam richtig verärgert bin.
Nun, das eine ist meine Erwartungshaltung an Journalisten. Diese ist aber gerechtfertigt, da diese Zeilen nicht nur an zwei «gewöhnliche» Journalisten geht, sondern an zwei Herren, die in der Politik eine sichtbare Rollen spielten und spielen. Einer davon ist Verleger und Chefredaktor, der andere PR-Berater mit Berufserfahrung.
Zwei Herren, die nicht nur Universität-Abschlüsse in Jura, Wirtschaftsgeschichte, politischer Philosophie und einen Harvard-Abschluss vorzuweisen haben, sondern im Kantonsrat und Nationalrat sassen bzw. sitzen und die Interessen Ihrer Partei und deren Mitglieder vertreten.
Und jetzt gehts erst los.
Nun, euer Artikel ist endlich online und da kommen wir zum eigentlichen Grund für dieses Schreiben.
In der Weltwoche können Artikel kommentiert werden. Das ist grundsätzlich gut. Die Weltwoche gibt an, die Kommentare zu kontrollieren, bevor sie freigeschaltet werden. Grundsätzlich ebenfalls gut. Mit dieser Freischaltung wird gewährleistet, dass die Inhalte der Kommentare unserer Gesetzgebung entsprechen. Dafür haftet der Verlag nach ja schliesslich nach Art. 28 StGB auch.
In diesen Kommentaren, unter dem oben erwähnten, sowieso schon dürftigen Beitrag, wurden persönliche Namen, Daten, Zivilstand, Beruf, ethnische Zugehörigkeit, Krankengeschichten veröffentlicht, die in keinem irgend gearteten Bezug zum Artikel stehen und zu einem grossen Teil nicht der Wahrheit entsprechen. Die Kommentare waren ehrverletzend, verleumderisch und insgesamt rechtsrelevant.
Es werden unsere Mütter, Väter, Tanten, Cousinen, Cousins, Geschwister an die Öffentlichkeit gezerrt, verleumdet und diskreditiert. Die Kommentare zu meinem Bruder will ich gar nicht erst erwähnen, sonst bestünde die Gefahr, dass ich mich selbst vergesse.
Anbei ein paar Leckerli für die geneigten Leser, und das sind noch die harmlosesten:
Zitat: Seine Mutter und 2 Tanten (Name xxx ) haben alles „Südländer“ geheiratet und die Töchter wiederum alles Jamaikaner“
Falsch: Ich bin eine dieser Töchter und ich bin und war nie mit einem Jamaikaner verheiratet.
Zitat: Tochter von Name xxx ist mit einem Jamaikaner verheiratet, welcher seinen Bruder an die Name XX Tochter von Name XXX verheiratete, damit dieser in der Schweiz bleiben konnte. Geschieden via Bezirksgerichtsurteil in Abwesenheit.
Falsch: Verleumderisch und rechtsrelevant
Zitat: Seine Mutter und eine Tante sind an Alkoholexzessen relativ jung gestorben.
Falsch: Beide Frauen starben an metastasierenden Krebs, eine jung, die andere mit über 60.
Zitat: Schweizer Mutter, Algerischer Vater (Taxichauffeur) leider verstorben.
Falsch: Taxichauffeur in den späten 70ern, dann Inhaber eines Limousinen-Service und danach 25 Jahre Privat-Sekretär eines Prinzen. Unser Vater spricht 7 Sprachen und er ist ziemlich lebendig… er war am Samstag zu Besuch.
Zitat: Warum ist er nicht im Iran geblieben? Das Talent zum Mullah ist augenfällig. Und wie man einen Kran bedient, wird er schnell lernen.
Falsch: Geografie scheint keine Stärke des Kommentators. Ansonsten rassistisch.
Es waren um die 90 Kommentare. Kaum einer davon würde einer wirklichen Prüfung auf Legitimität und inhaltliche Korrektheit in Bezug auf den Artikel standhalten.
Jeder Kommentar enthält Rassismus, Diskreditierung, Herabsetzung, Verleumdung, Hassrede.
Nun bin ich wirklich sauer, sehr sauer.
Und nein, es ändert nicht wirklich viel, dass die Kommentare gelöscht wurden, sie standen 4 Tage online. Die Löschung ist kein Zugeständnis an mich, sondern eine Sicherheitsmassnahme für Euch, von Euch.
Meine Anklage geht an Euch, an Dich Roger Köppel und an Dich Claudio Zanetti. Ihr seid es, die diesen Dreck zulässt, fördert, abdruckt und veröffentlicht. Euer Artikel ist die Basis dazu, dass unsere Familie mit Hass und Diskreditierungen überschüttet wird und wir sind es, die mit diesem Hass leben müssen, den Ihr fördert und zulässt. Ihr öffnet Eurer menschenverachtenden Gefolgschaft Tür und Tor, ihre gebt Ihnen den Raum und die Plattform für Boshaftigkeit, Verachtung, Rassismus und Hass.
Ihr missbraucht Eure Macht als Politiker und öffentliche Personen ,um Eure Gefolgschaft bei Laune zu halten. Ihr lasst es zu, dass der aufgewiegelte Mob auf unseren Köpfen tanzt.
Als Verleger, als Chefredaktor und als Verfasser nehmt Ihr Eure Verantwortung nicht wahr, sondern legitimiert solches Gebaren. Es wäre nicht schlimmer, wenn die Äusserungen direkt von Euch kommen würden, so sind sie einfach geduldet und abgesegnet.
Die Forderung nach einer Entschuldigung von euch bleibt bestehen. Wie gesagt, sie betrifft nicht den Artikel, sondern die Verantwortung, die ihr für die Kommentare trägt, die unter diesem Artikel veröffentlicht wurden.
Die Entschuldigung hat persönlich, schriftlich, öffentlich und sichtbar in der Weltwoche zu erfolgen. An Réda El Arbi, an mich und anonymisiert an unsere Familien.
Wir behalten uns dabei den Rechtsweg vor.
Auf ein gutes und einvernehmliches Ende hoffend.
Hélène Lindgens